Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 8/23 R

Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosengeldanspruch - Anwartschaftszeit - Mitarbeiterin einer Rundfunk- und Fernsehanstalt - Beschäftigungsverhältnis - Rahmenvereinbarung

Verhandlungstermin 16.07.2025 11:15 Uhr

Terminvorschau

K. R. ./. Bundesagentur für Arbeit
Zwischen den Beteiligten ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. September 2019 streitig.

Die Klägerin war vom 1. September 2004 bis 31. August 2019 für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Autorin, Realisatorin und Reporterin programmgestaltend tätig. Grundlage der Zusammenarbeit waren mehrere befristete, aneinander anschließende Rahmenvereinbarungen und darin vorgesehene Einzelaufträge. Die letzte Rahmenvereinbarung enthielt unter anderem folgende Regelungen: Eine Beschäftigung der Klägerin erfolge an maximal 120 Tagen im Kalenderjahr. Weder sei die Klägerin verpflichtet, über die Dauer eines übernommenen Einzelauftrags hinaus dem NDR zur Verfügung zu stehen, noch sei dieser gehalten, die Klägerin zu beschäftigen. Die konkrete Tätigkeit der Klägerin für die einzelnen Produktionen werde jeweils durch einen Einzelauftrag mit Anfangs- und Endtermin festgelegt.

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts gab es keine Nachweise über den Beginn oder das Ende der einzelnen Aufträge. Die Vergütung der Klägerin basierte auf festgelegten Honoraren für einzelne Schritte der Produktion. Die Schritte dokumentierte die Klägerin in einem Formular und rechnete die Beschäftigungstage anhand dessen ab. Der NDR gewährte der Klägerin Urlaubsentgelt nach dem Tarifvertrag über den Urlaub arbeitnehmerähnlicher Personen, den diese vorher förmlich beantragte. Für die Jahre 2018 und 2019 führte der NDR für die Tätigkeit der Klägerin Lohnsteuer sowie Beiträge zur Sozialversicherung ab.

Den Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld lehnte die beklagte Bundesagentur für Arbeit mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, denn sie sei in den letzten zwei Jahren vor dem 1. September 2019 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen. Die Rahmenfrist für die Ermittlung der Anwartschaftszeit umfasse den Zeitraum vom 1. September 2017 bis 31. August 2019. Innerhalb dieser Frist habe Versicherungspflicht der Klägerin nur an 202 Kalendertagen vorgelegen.

Die dagegen gerichtete Klage ist in beiden Rechtszügen ohne Erfolg geblieben. Die Rahmenfrist sei nicht erfüllt. Selbst unter Berücksichtigung von Urlaubstagen könne innerhalb der Rahmenfrist nur an 263 Tagen Versicherungspflicht bestanden haben. Die Zwischenzeiten seien nicht als fortdauernde Beschäftigung ohne Arbeitsentgelt im Sinne von § 7 Absatz 3 SGB IV anzusehen, weil kein Dauerarbeitsverhältnis, sondern nur befristete Einzelarbeits- beziehungsweise Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen hätten.

Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, innerhalb der Rahmenfrist in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis gestanden zu haben und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 142 Absatz 1 SGB III in Verbindung mit § 25 SGB III und § 7 SGB IV.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 14 AL 98/20, 25.02.2021
Landessozialgericht Hamburg, L 2 AL 22/21, 14.06.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 21/25.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war erfolglos. Ihr steht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab
1. September 2019 zu. Sie erfüllt jedenfalls die Anwartschaftszeit nicht.

Nach § 142 Absatz 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. § 143 Absatz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung sah vor, dass die Rahmenfrist zwei Jahre betrug und mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld begann. Innerhalb der sich danach auf den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 31. August 2019 erstreckenden Rahmenfrist hat die Klägerin jedenfalls weniger als 12 Monate (360 Tage) als Beschäftigte im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Danach sind versicherungspflichtig unter anderem Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beschäftigung ist gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Als Beschäftigung der Klägerin kommt allein ihre Tätigkeit für den NDR als Autorin, Realisatorin und Reporterin auf Grundlage der in dem Rahmenvertrag vorgesehenen Einzelaufträge in Betracht. Der Umfang dieser Beschäftigung in der Rahmenfrist würde sich - einschließlich der Urlaubstage - aber auf maximal 263 Tage belaufen. Weitere versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten waren nicht festzustellen.

Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Tätigkeiten wie die der Klägerin, dass in Zeiträumen, in denen keine Aufträge angenommen werden und durchzuführen sind, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB IV gegeben ist. So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts zu Inhalt und tatsächlicher Durchführung der Vereinbarung, an die der Senat gebunden ist, war die Klägerin nicht verpflichtet, dem NDR über die Dauer eines übernommenen Einzelauftrags hinaus zur Verfügung zu stehen und der NDR nicht gehalten, sie zu beschäftigen. Für die einzelnen Tätigkeiten sollten gesonderte Einzelvereinbarungen abgeschlossen werden. Darin sollten jeweils Anfangs- und Endtermin der Tätigkeit der Klägerin und damit des Vertragsverhältnisses festgelegt werden. Die Erteilung des jeweiligen Produktionsauftrags beziehungsweise der jeweilige Einsatz für einen neuen Beschäftigungsabschnitt sollte als neues Angebot gelten, das entweder ausdrücklich oder durch die Aufnahme der vorgesehenen Tätigkeit seitens der Klägerin anzunehmen war. Zwar mangelt es vorliegend an Nachweisen über den Beginn oder das Ende des jeweiligen Tätigkeitszeitraums. Die Gegenleistung basierte aber auf festgelegten Honoraren für einzelne Produktionsschritte. Diese hat der NDR in sogenannten Honorarabrechnungen festgehalten. Darüber hinausgehende Arbeitseinsätze oder Beschäftigungstage sind nicht nachgewiesen.

Es sind auch nicht auf Grundlage von § 7 Absatz 3 Satz 1 SGB IV weitere Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Nach § 7 Absatz 3 Satz 1 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Entgegen der Auffassung der Klägerin bietet die Rahmenvereinbarung keine Grundlage für die Annahme eines über die Einzelaufträge hinausgehenden, fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses. Insoweit stützt sich der Senat auf die den gesetzlichen Auslegungsregeln und Denkgesetzen beziehungsweise Erfahrungsätzen folgende Auslegung des Landessozialgerichts. Es bestand danach zwischen den Vertragsparteien keine Absicht der dauerhaften Verbindung. Auch ist - bei der programmgestaltend wirkenden Klägerin - durch die verschiedenen Einzelvereinbarungen arbeitsrechtlich kein Dauerarbeitsverhältnis und damit kein Dauerbeschäftigungsverhältnis begründet worden.

Ebenso wenig führt die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung zur Annahme von Versicherungszeiten. Insoweit kommt es nicht auf die Beitragszahlung, sondern allein darauf an, ob in rechtlicher Hinsicht Versicherungspflicht bestand.

Die Klägerin hat auch die Voraussetzungen der sogenannten kleinen Anwartschaftszeit von sechs Monaten im Sinne des § 142 Absatz 2 SGB III nicht erfüllt. Das von ihr in den letzten zwölf Monaten vor der Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt überstieg die zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgebliche Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 SGB IV.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 21/25.

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