Verhandlung B 1 KR 13/24 R
Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Kodierung - maschinelle Beatmungsstunden über Maskensysteme - intensivmedizinische Versorgung
Verhandlungstermin
27.08.2025 11:00 Uhr
Terminvorschau
E Krankenhaus gGmbH ./. Techniker Krankenkasse
Ein Versicherter der beklagten Krankenkasse wurde wegen einer akuten, infektbedingten Verschlechterung seiner chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung zunächst in einem anderen Krankenhaus nach notfallmäßiger Einlieferung antibiotisch behandelt und wegen zunehmender Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration im Blut durch eine Ausscheidungsschwäche und eine Bewusstseinsstörung auf der Intensivstation nicht-invasiv beatmet. Nach Verlegung in das (nach § 108 SGB V zugelassene) Krankenhaus der Klägerin wurde er dort auf der Abteilung “Beatmungsmedizin/Weaning, pneumologische Intensivstation“ vom 8. Dezember 2017 - 14:00 Uhr bis 10. Dezember 2017 - 13:35 (unterbrochen von beatmungsfreien Intervallen) über ein Maskensystem im assistierten durchkontrollierten Modus beatmet. Nach Verlegung auf die Normalstation am 12. Dezember 2017 wurde die Maskenbeatmung bis zum 16. Dezember 2017 fortgeführt und dann auf Wunsch des Patienten abgebrochen, der nach Umstellung auf eine palliative Therapie am 19. Dezember 2017 verstarb.
Die Klägerin berechnete 8234,89 Euro nach Fallpauschale E40C unter Kodierung von 48 Beatmungsstunden. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, verrechnete später unter Verweis auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung jedoch 5615,84 Euro mit anderen, für sich genommen unstreitigen Forderungen: Die Vergütung richte sich nach Fallpauschale E65C, da Beatmungsstunden nicht zu kodieren seien. Der Patient sei nicht auf der Intensivstation behandelt und daher nicht intensivmedizinisch versorgt worden. Zudem habe ein Strukturgespräch am 21. Februar 2012 ergeben, dass eine intensivmedizinische Versorgung lediglich an 10 von 24 Stunden pro Tag gewährleistet gewesen sei, da der diensthabende Arzt in der verbleibenden Zeit zusätzlich die weiteren Patienten in der gesamten Lungenklinik in L. habe versorgen müssen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung des verrechneten Betrags verurteilt: Eine intensivmedizinische Versorgung im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinie 1001h sei auch auf einer Station zur Beatmungsentwöhnung (Weaning-Station) grundsätzlich möglich, wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bereits zu einer Intermediate-Care-Station entschieden habe. Der Sachverständige habe festgestellt, dass durch das akute Atemversagen eine lebensbedrohliche Situation vorgelegen habe, in der sich die behandelnden Ärzte durch die Beatmung Zeit verschafft hätten, die antibiotische und antiinflammatorische Therapie durchzuführen. Die Deutsche Kodierrichtlinie 1001l setze nicht voraus, dass die Strukturvoraussetzungen einer Intensivstation vorlägen. Ausreichend sei nach der Rechtsprechung vielmehr, dass die Versorgung des Patienten in einem personellen und apparatetechnischen Umfang entsprechend der Versorgung auf einer Intensivstation stattgefunden habe. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten unter Verweis auf die Gründe des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Absatz 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch, § 17b Absatz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, § 7 Absatz 1 Nummer 1, § 8 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Krankenhausentgeltgesetz sowie der Fallpauschalenvereinbarung für 2017 und insbesondere der Deutschen Kodierrichtlinie 1001l für 2017. Diese forderte für die Kodierung maschineller Beatmungsstunden über Maskensysteme die intensivmedizinische Versorgung des Patienten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen komme es hierfür nicht nur auf die tatsächliche Behandlung an, sondern darüber hinaus auch auf das Vorliegen von Strukturmerkmalen. Erforderlich sei insoweit die Behandlung auf einer Intensivstation oder einer Station, die den strukturellen Voraussetzungen einer Intensivstation entspreche. Dies setze voraus, dass die hierfür notwendigen Apparaturen, die personelle Ausstattung (mit einem Personalschlüssel von in der Regel 1:2) sowie eine entsprechende Organisationsstruktur vorhanden seien. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Der Patient sei nicht auf einer Intensivstation behandelt worden. Ein Strukturgespräch am 21. Februar 2012 habe außerdem ergeben, dass eine intensivmedizinische Versorgung lediglich an 10 von 24 Stunden pro Tag gewährleistet gewesen sei, da der diensthabende Arzt in der verbleibenden Zeit zusätzlich weitere Patienten der Lungenklinik habe versorgen müssen. Nicht alle diensthabenden Ärzte seien Fachärzte gewesen.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Hildesheim, S 61 KR 1116/19, 02.03.2022
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 16 KR 201/22, 08.09.2022
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg gehabt. Es steht aufgrund der Feststellungen des Landessozialgerichts nicht fest, dass der Beklagten aus dem hier in der Sache umstrittenen Beatmungsfall ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zusteht. Voraussetzung der abgerechneten Fallpauschale E40C ist, dass die Klägerin die 48 Beatmungsstunden zu Recht kodiert hat. Dies setzt unter anderem voraus, dass eine “intensivmedizinische Versorgung“ stattgefunden hat. Der Senat hält auch hier an der zum Fall 1) wiedergegebenen Definition der Intensivmedizin fest. Anders als der in Fall 1) abgerechnete Operationen- und Prozedurenschlüssel stellt die hier maßgebliche Deutsche Kodierrichtlinie 1001l keine über die “intensivmedizinische Versorgung“ hinausgehenden Anforderungen auf. Sie stellt auch keinen Bezug zu einer räumlich-organisatorischen Einheit im Sinne einer “Intensivstation“ her. Erforderlich ist neben der Beatmungsnotwendigkeit als solcher, dass zumindest eine weitere für das Leben notwendige vitale oder elementare Funktion (Kreislauf, Homöostase oder Stoffwechsel) bei dem Versicherten lebensgefährlich bedroht oder gestört ist. Der Versicherte muss deswegen zu seiner Überwachung und Behandlung auch insoweit der Mittel der Intensivmedizin bedürfen, also einer umfassenden apparativen und personellen Ausstattung. Wie dies räumlich-organisatorisch im Krankenhaus sicherzustellen ist, regelt die Deutsche Kodierrichtlinie nicht. Dies wird in der Regel durch das Vorhalten einer Intensivstation erfolgen. Es ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass die notwendigen Geräte auch auf einer anderen Station zum Einsatz kommen können, solange sie im Bedarfsfall am Bett des Patienten unmittelbar zur Verfügung stehen. Auch der Arzt mit Notfallkompetenz muss nicht zwingend durchgängig auf der Station präsent sein. Er muss aber erforderlichenfalls unmittelbar, das heißt innerhalb weniger Minuten, eingreifen können.
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