Verhandlung B 2 U 14/23 R
Gesetzliche Unfallversicherung - Generalunternehmerhaftung - Nachunternehmen - Beitragsrückstand - Unbedenklichkeitsbescheinigung - Exkulpation
Verhandlungstermin
24.09.2025 11:00 Uhr
Terminvorschau
K.-V. GmbH ./. Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
Die klagende Generalunternehmerin beauftragte die Nachunternehmerin im Rahmen mehrerer Vertragsverhältnisse mit der Ausführung von Bauleistungen. Die Nachunternehmerin geriet mit der Ausführung der Bauleistungen teilweise in Verzug. Bei einem Bauvorhaben unterblieb die Fertigstellung, woraufhin die Klägerin die jeweiligen Verträge kündigte. Die Beklagte forderte von der Nachunternehmerin erfolglos Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung und wandte sich sodann an die Klägerin, welche lückenlose Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegte.
Nach Anhörung nahm die Beklagte die Klägerin für Beitragsrückstände der Nachunternehmerin in Anspruch. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Nachunternehmerin ausreichend qualifiziert gewesen sei. Eine Exkulpation gelinge auch nicht durch die vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen hinsichtlich der darin enthaltenen Entgelte. Auf eine Plausibilitätskontrolle habe die Beklagte in den Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausdrücklich hingewiesen.
Anders als das Sozialgericht hat das Landessozialgericht der Klage stattgegeben. Mit der Neuregelung der Generalunternehmerhaftung im Jahr 2009 sei ein Verschulden des Unternehmers ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers durch eine Präqualifikation nachweise oder stattdessen Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlege. Der Generalunternehmer müsse jedoch nicht prüfen, ob die vom Unfallversicherungsträger erfassten Unternehmensteile mit dem Auftrag und die gemeldeten Arbeitsentgelte mit dem Auftragsvolumen übereinstimmten.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 150 Absatz 3 SGB VII sowie von § 28e Absatz 3a, 3b und 3f SGB IV.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Freiburg, S 13 U 3445/21, 07.02.2022
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 9 U 619/22, 18.04.2023
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Festsetzung des Haftungsbetrags rechtswidrig ist.
Die Klägerin hat zwar den gesetzlichen Tatbestand der Generalunternehmerhaftung dem Grunde nach erfüllt. Sie konnte sich jedoch durch Vorlage qualifizierter Unbedenklichkeitsbescheinigungen exkulpieren. Eine über die Vorlage hinausgehende Pflicht zur Prüfung der Unbedenklichkeitsbescheinigungen auf Plausibilität (der Lohnsummen des Nachunternehmers) trifft die Klägerin nicht. Eine Prüfungspflicht oblag dem Generalunternehmer bei Einführung der Haftungsregelung. Seit dem 1. Oktober 2009 sind die Exkulpationsmöglichkeiten indes in Form der Präqualifikation und Unbedenklichkeitsbescheinigung normativ konkretisiert worden. Damit sollte im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Generalunternehmerhaftung ein eindeutiger und rechtssicherer Nachweis geschaffen werden.
Die rechtlichen Hinweise der Beklagten zur Plausibilitätskontrolle in den an die Nachunternehmerin adressierten Unbedenklichkeitsbescheinigungen entfalten mangels Regelungscharakter keine rechtliche Bindungswirkung.
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