Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 11/24 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Entgeltvereinbarung - besondere Einrichtung - Krankenhausfinanzierungsgesetz - Operationen- und Prozedurenschlüssel

Verhandlungstermin 29.10.2025 12:15 Uhr

Terminvorschau

V-Klinik GmbH ./. Techniker Krankenkasse
Im Krankenhaus der Klägerin wurde vom 22. Februar bis 16. März 2017 eine 2008 geborene Versicherte der beklagten Krankenkasse behandelt. Bei ihr bestand eine globale tiefgreifende Entwicklungsstörung mit sekundär generalisierter, schwer einstellbarer Epilepsie. Die Versicherte erhielt funktionelle Ergotherapie, Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage, Schwimmtherapie, Logopädie, Musiktherapie und Heilpädagogik. Für die Behandlung berechnete die Klägerin unter Ansatz des vereinbarten krankenhausindividuellen Tagessatzes der Beklagten 10 228,23 Euro und übermittelte den Operationen- und Prozedurenschlüssel 9-403.5.

Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag, leitete ein Prüfverfahren ein und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Prüfung der Abrechnung. Dieser bestätigte die Indikation für eine neuropädiatrische Komplexbehandlung. Es liege jedoch eine primäre Fehlbelegung vor, da die stationäre Aufnahme nur zur Durchführung der Komplexbehandlung erfolgt sei und diese Leistung nicht erbracht worden sei. Der nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel 9-403.5 notwendige Umfang von mindestens 95 Therapieminuten pro Tag sei nicht erreicht worden. Die Beklagte rechnete daraufhin die bereits gezahlte Vergütung auf.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die dem Grunde nach erforderliche stationäre neuropädiatrische Komplexbehandlung der Versicherten habe das Krankenhaus nicht erbracht. Die Voraussetzungen des Operationen- und Prozedurenschlüssels 9-403.5 seien nicht erfüllt. Es fehle an den im Operationen- und Prozedurenschlüssel geforderten Leistungen durch einen Arzt, Psychologen und/oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten. Im Übrigen seien Therapieleistungen auch nicht im erforderlichen quantitativen Umfang erbracht worden. Das Krankenhaus sei auch bei Anerkennung als besondere Einrichtung verpflichtet, zur Abrechnung der Leistungen den Operationen- und Prozedurenschlüssel zu verwenden und habe nur Anspruch auf Vergütung für Leistungen, die den in § 10 der Entgeltvereinbarung genannten Operationen- und Prozedurenschlüsseln entsprechen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung von § 109 Absatz 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - in Verbindung mit § 6 Absatz 1 Satz 1, § 11 Krankenhaus-entgeltgesetz und §§ 18, 17b Absatz 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz, § 301 Absatz 1 Nummer 6 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - sowie die fehlerhafte Auslegung der Entgeltvereinbarung. Sie sei als besondere Einrichtung für die Abrechnung der von ihr erbrachten Leistungen nicht an die Vorgaben des Operationen- und Prozedurenschlüssels gebunden. Sie erbringe keine Leistungen nach diesem Katalog, ihre Vergütung unterliege nicht den dort geregelten Vorgaben und sie sei nicht verpflichtet, Operationen- und Prozedurenschlüssel-Nummern als Abrechnungsdaten zu übermitteln.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Lübeck S 51 KR 52/18, 12.08.2020
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 10 KR 235/20, 31.01.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 33/25.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Für den Anspruch der Klägerin auf Vergütung der von ihr im Rahmen des Versorgungsauftrages erbrachten Krankenhausbehandlungen gilt der in der Entgeltvereinbarung 2016 vereinbarte Tagessatz. Es kommt nicht darauf an, ob alle Voraussetzungen einer der in § 10 Entgeltvereinbarung 2016 bezeichneten Operationen- und Prozedurenschlüssel erfüllt waren. Der Senat war hier an die davon abweichende Auslegung des Landessozialgerichts nicht gebunden und hat die Entgeltvereinbarung 2016 unter Berücksichtigung der Ermächtigungsgrundlage (§ 17b Absatz 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz, § 6 Absatz 1 Satz 1 Alternative 2, § 11 Absatz 1 Krankenhausentgeltgesetz), dem Wortlaut und dem Regelungssystem, in das die Entgeltvereinbarung 2016 eingebunden ist, selbst ausgelegt. Nach dem genannten Rechtsrahmen schränkt die Anerkennung eines Krankenhauses als besondere Einrichtung dessen Versorgungsauftrag nicht ein. Das Krankenhaus oder Teile des Krankenhauses werden als besondere Einrichtung lediglich von der Vergütung nach Fallpauschalen ausgenommen. An die Stelle der Vergütung nach Fallpauschalen tritt die Entgeltvereinbarung. In dieser sind Entgelte für alle vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen der besonderen Einrichtung zu vereinbaren.

Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung scheitert aber daran, dass im Krankenhaus keine Krankenhausbehandlung erbracht wurde. § 107 Absatz 1 Nummer 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch betont als Kennzeichen einer Krankenhausbehandlung die ärztliche und pflegerische Hilfeleistung, wobei die intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung bei der Krankenhausbehandlung im Vordergrund steht und die Pflege in aller Regel untergeordnet ist. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts wurden zur Behandlung der Versicherten im Wesentlichen Heilmittel eingesetzt und waren die ärztlichen Leistungen von gänzlich untergeordneter Bedeutung.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 33/25.

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