Verhandlung B 8 SO 14/24 R
Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - ambulant betreute Wohnmöglichkeit - Pflegestufe 0 - Erstattungsanspruch - Sozialhilfeträger - örtliche Zuständigkeit
Verhandlungstermin
30.10.2025 13:00 Uhr
Terminvorschau
Landkreis Esslingen ./. Landkreis Bautzen
Die Leistungsberechtigte, bei der im Juli 2012 eine Demenzerkrankung diagnostiziert wurde, lebte bis zum 28. September 2014 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, ohne Sozialhilfe zu beziehen. Sie zog am 29. September 2014 für zwei Tage in die Wohnung der Tochter im Zuständigkeitsbereich des Klägers und am 1. Oktober 2014 - wie bereits vorher vereinbart - in eine Wohngemeinschaft für demenzkranke Menschen am selben Ort. Hier wurde sie seither ambulant gepflegt und betreut und bezog Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung. Da zwischen den beteiligten Trägern der Sozialhilfe angesichts des Umfangs der Pflege, die zunächst nur nach der sogenannten Pflegestufe Null erfolgte, Streit über die örtliche Zuständigkeit bestand, gewährte der Kläger ergänzende Leistungen der Hilfe zur Pflege ab 1. Oktober 2014 vorläufig. Das Sozialgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger die für die Zeit bis zum 31. März 2020 auf 89 949 Euro bezifferten Leistungen sowie die ab 1. April 2020 gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege dem Grunde nach zu erstatten. Das Landessozialgericht hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht, weil der Beklagte nicht der örtlich zuständige Träger sei. Es liege wegen der demenzbedingten Betreuungsnotwendigkeit auch angesichts der Pflegestufe Null von Beginn an ein Fall des ambulant betreuten Wohnens vor. Die Zuständigkeit richte sich damit nach der Zuständigkeit des Trägers am Ort des tatsächlichen Aufenthalts am Tag vor der Aufnahme in die Wohngemeinschaft. Zuständig sei also der Kläger, unabhängig davon, dass der Aufenthalt in der Wohnung der Tochter nur zwei Tage bestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung von § 98 Absatz 5 SGB XII rügt.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Stuttgart, S 16 SO 3290/17, 20.09.2021
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 7 SO 3379/21, 07.11.2024
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/25.
Terminbericht
Der Senat hat die Revision des klagenden Landkreises zurückgewiesen. Es ist schon zweifelhaft, ob bereits bei Einzug in die Wohngemeinschaft ein Fall des ambulant betreuten Wohnens vorlag; denn es kann nicht jede nur untergeordnete Nutzung eines ambulanten Pflegedienstes zur Annahme des ambulant betreuten Wohnens führen. Letztlich kann die Frage nach dem notwendigen Umfang von neben der Grundpflege erbrachten Betreuungsleistungen bei demenzbedingten Einschränkungen hier aber offenbleiben. Unterstellt, es lag ein ambulant betreutes Wohnen vor, richtet sich die örtliche Zuständigkeit zwar nicht nach § 98 Absatz 1 Satz 1 SGB XII, sondern nach § 98 Absatz 5 Satz 1 SGB XII. Zutreffend hat das Landessozialgericht aber entschieden, dass auch in diesem Fall der Kläger als Sozialhilfeträger am Ort des tatsächlichen Aufenthalts am Tag vor Eintritt in die ambulante Wohnform örtlich zuständig geworden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Aufenthalt in der Wohnung der Tochter (und damit im klägerischen Zuständigkeitsbereich) nur vorübergehend für wenige Tage und im sicheren Wissen um den Einzug in die Wohngemeinschaft geplant war. Eine vollständige Gleichstellung mit den Regelungen, wie sie für Einrichtungsorte gelten, hat der Gesetzgeber für das ambulant betreute Wohnen nicht geschaffen. Eine Übertragung der Rechtsprechung des Senats zur Vorverlagerung des Schutzes der Einrichtungsorte entsprechend dem Rechtsgedanken des § 109 SGB XII ist deshalb im Geltungsbereich des § 98 Absatz 5 Satz 1 SGB XII nicht angezeigt.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/25.