Verhandlung B 5 R 9/24 R
Rentenversicherung - Grundrentenzuschlag - Einkommensanrechnung - Ehepartner
Verhandlungstermin
27.11.2025 11:00 Uhr
Terminvorschau
U. v. L. /. Deutsche Rentenversicherung Bund
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (Grundrentenzuschlag).
Die 1960 geborene Klägerin bezieht seit Mai 2022 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Aus 43 Jahren mit Grundrentenbewertungszeiten berechnete die Beklagte einen Grundrenten-zuschlag in Höhe von 1,1760 Entgeltpunkten. Der darauf beruhende Rentenanteil (zunächst in Höhe von monatlich knapp 40 Euro) wurde jedoch nach Anrechnung des Einkommens der Klägerin und ihres Ehemanns nicht geleistet. Daran hielt die Beklagte auch nach Neuberechnung der Altersrente ab Januar 2023 fest.
Mit ihrem Begehren, das Einkommen ihres Ehemanns wie bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht anzurechnen und eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung des Grundrentenzuschlags zu erhalten, ist die Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht hat dazu ausgeführt, die Beklagte habe die gesetzlichen Vorschriften rechtmäßig angewandt. Die Einkommensanrechnung verstoße auch nicht gegen Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz. Der Gesetzgeber verfüge bei der Einkommensanrechnung über einen weiten Spielraum. Der Grundrentenzuschlag werde vollständig aus Steuermitteln finanziert. Die Anrechnung von Einkommen sei bei einer aus Gründen der Fürsorge gewährten Sozialleistung grundsätzlich geboten. Infolge der Anrechnungsregelung werde der Grundrentenzuschlag nur gezahlt, wenn der Berechtigte nicht aufgrund anderer unterhaltsrechtlich gesicherter Ansprüche mehr Geld zur Verfügung habe als ein Sozialhilfeempfänger. Ehepartner seien wegen ihrer wechselseitigen Unterhaltspflicht wirksamer versorgt als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Verfassungsrecht. Die Einkommensanrechnung führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleich-behandlung von verheirateten Berechtigten gegenüber Versicherten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 10 R 338/22, 23.08.2022
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 18 R 707/22, 30.01.2024
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 38/25.
Terminbericht
Die Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Klägerin kann von der Beklagten keine höhere Rentenzahlung beanspruchen. Der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sogenannter Grundrentenzuschlag) kommt aufgrund der Anrechnung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin und ihres Ehemanns im hier streitbefangenen Zeitraum nach den Regelungen in § 97a SGB VI nicht zum Tragen.
Die Klägerin wird nicht dadurch in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz verletzt, dass das Einkommen ihres Ehemanns, anders als bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, angerechnet wird. Es bestehen hinreichende sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber verfügt bei aus Bundesmitteln zum sozialen Ausgleich gewährten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung über einen weiten Gestaltungsspielraum. Sein erklärtes Regelungsziel war es, den steuerfinanzierten Grundrentenzuschlag als Maßnahme des sozialen Ausgleichs nur in Abhängigkeit von einem "Grundrentenbedarf" zu gewähren. Dieser sollte nicht den Haushalten mit einem Einkommen zugutekommen, die seiner wirtschaftlich nicht bedürfen. Dazu erfolgt die Anrechnung des zu versteuernden Einkommens des Berechtigten und seines Ehegatten unbürokratisch mithilfe eines vollautomatisierten Datenabgleichs mit den Finanzbehörden. Ausdrücklich nicht gewollt war eine Bedürftigkeitsprüfung, wie sie in den Grundsicherungssystemen üblich ist. Eheleute unterliegen einer gesteigerten bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht. Dagegen schulden die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einander keinen gesetzlichen Unterhalt. Vor diesem Hintergrund war die Annahme, dass ein verheirateter Versicherter besser abgesichert ist als ein nichtverheirateter Versicherter, eine sachliche Erwägung, die auf einer vernünftigen, jedenfalls vertretbaren Würdigung eines typischen Lebenssachverhalts beruht.
Auch verstößt es nicht gegen das Eigentumsgrundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz, dass der auf dem Grundrentenzuschlag beruhende Rentenanteil nicht ausgezahlt wird. Selbst bei einer Betrachtung des Rentenanspruchs insgesamt als Schutzobjekt handelt es sich bei den Regelungen zur Anrechnung des zu versteuernden Einkommens jedenfalls um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 38/25.