Bundessozialgericht

Verhandlung B 6a/12 KR 12/24 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - freiwillige gesetzliche Krankenversicherung - Beitragserhebung - Aufwandsentschädigung - Sitzungsgelder - ehrenamtliche kommunale Tätigkeit - Selbstständiger

Verhandlungstermin 10.12.2025 14:00 Uhr

Terminvorschau

D. W. ./. Techniker Krankenkasse
beigeladen: Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung
Der Kläger wendet sich gegen die Beitragserhebung zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung auf Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder aus einer ehrenamtlichen kommunalen Tätigkeit für die Zeit vom 1. März 2019 bis 31. Dezember 2019.

Der Kläger, der hauptberuflich als selbstständiger Unternehmer tätig und bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert ist, ist ehrenamtliches Mitglied eines Stadtrats sowie eines Kreistags in Nordrhein-Westfalen und erhält hierfür Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder. Sein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 wies - neben Einkünften aus Gewerbebetrieb - für seine kommunale Mandatstätigkeiten Einkünfte aus anderer selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 3666 Euro aus. Die Beklagte setzte daraufhin die monatlichen Beiträge des Klägers ab dem 1. März 2019 vorläufig unter Berücksichtigung auch des im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen steuerpflichtigen Anteils der dem Kläger gezahlten Entschädigungen fest.

Das Sozialgericht hat den vorläufigen Beitragsbescheid teilweise aufgehoben. Die dem Kläger für seine ehrenamtliche Tätigkeit gezahlten Beträge seien nicht zu berücksichtigen. Zwar qualifiziere das Steuerrecht diese als Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Ein solcher Gewinn sei jedoch nur beitragspflichtig, wenn er aus einer selbstständigen Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn herrühre. Daran fehle es hier.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte die Beiträge des Klägers für den streitigen Zeitraum endgültig festgesetzt, nachdem der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vorgelegt worden war, der Einkünfte aus anderer selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 3833 Euro ausweist. Das Landessozialgericht hat das angegriffene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der neue Beitragsbescheid sei nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Zu Recht habe die Beklagte Beiträge aus Einkünften im Zusammenhang mit der kommunalpolitischen Tätigkeit des Klägers erhoben. Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen sei die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend, unabhängig davon, ob dem erzielten Gewinn eine originär selbstständige Tätigkeit zugrunde liege. Es bestehe eine volle Identität zwischen dem steuerrechtlichen Gewinn und dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitseinkommen.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 15 SGB IV. Die Entscheidung des Landessozialgerichts sei mit dem politischen Willen, ehrenamtliche Tätigkeiten zu stärken, nicht zu vereinbaren und schränke ihn in der Ausübung seines Mandats ein. Er werde insbesondere gegenüber abhängig Beschäftigten ungleich behandelt, auf deren Aufwandsentschädigung keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erhoben würden.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Dortmund, S 49 KR 499/20, 20.04.2021
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 5 KR 551/21, 21.03.2024

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 40/25.

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolglos. Die beklagte Krankenkasse hat die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung des freiwillig versicherten Klägers auf der Grundlage des für 2019 erlassenen Einkommensteuerbescheides zutreffend unter Berücksichtigung des steuer-pflichtigen Anteils der dem Kläger für seine kommunale Mandatstätigkeit gezahlten Aufwands-entschädigungen und Sitzungsgelder endgültig festgesetzt. Bei den einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus “sonstiger selbstständiger Arbeit“ eingestuften Entschädigungen handelt es sich um nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinne aus selbständiger Tätigkeit. Sie stellen somit Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Absatz 1 SGB IV dar. Aufgrund des dort gesetzlich angeordneten Gleichlaufs von Beitrags- und Steuerrecht kommt es nicht darauf an, dass der Kläger insofern keine selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ausübt. Ebenso wenig steht es der Einstufung als Arbeitseinkommen entgegen, dass das kommunale Mandat ehrenamtlich ausgeübt wird. Für die steuerrechtliche Beurteilung als selbstständige Tätigkeit lässt es der Bundesfinanzhof genügen, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Hieran knüpft das Sozial-versicherungsrecht an. Folglich sind die sozialrechtlich relevanten Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit ("Arbeitseinkommen"), auf deren Erzielung eine derartige Tätigkeit gerichtet sein muss, identisch mit dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn, hier also dem steuerpflichtigen Anteil der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder.

Eine Ausnahme von der Beitragspflicht ist auch nicht wegen einer speziellen Zwecksetzung der Tätigkeit anzunehmen. Der hier relevante steuerpflichtige Anteil der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder hat nicht den Zweck, Mehraufwendungen zu kompensieren oder Auslagen zu ersetzen. Dies geschieht bereits durch den pauschal berechneten Steuerfreibetrag verbunden mit der Möglichkeit, tatsächlich höhere Auslagen gegebenenfalls gegenüber den Finanzbehörden nachzuweisen. Vielmehr stellt der als Gewinn aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ausgewiesene steuerpflichtige Anteil der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder in erster Linie einen Ersatz für den Aufwand an Zeit und Arbeitsleistung dar und dient damit grundsätzlich der Deckung des Lebensunterhalts.

Anhaltspunkte für einen Gleichheitsverstoß liegen nicht vor. Die Ungleichbehandlung freiwillig Versicherter mit Arbeitseinkommen gegenüber Pflichtversicherten mit Arbeitsentgelt findet bei der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung ihren Grund in der Anerkennung einer grundsätzlich geringeren Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter. Der Gesetzgeber verfügt in diesem Bereich über einen weiten Gestaltungsspielraum.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 40/25.

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