Verhandlung B 9 V 1/24 R
Opferentschädigung - Schockschaden - sozialgerichtliches Verfahren - medizinisches Sachverständigengutachten
Verhandlungstermin
11.12.2025 14:15 Uhr
Terminvorschau
M. P. ./. Landschaftsverband Rheinland
Die Klägerin war im Jahr 2013 Augenzeugin eines tätlichen Angriffs auf ihre damalige Lebensgefährtin. Wegen daraus resultierender Folgen begehrt sie die Gewährung von Versorgungsleistungen, insbesondere einer Beschädigtenrente.
Den hierauf gerichteten Antrag hat der Beklagte mit der Begründung abgelehnt, dass eine für die Anerkennung eines Schockschadens ausreichend schwere vorsätzliche Gewalttat gegenüber dem Primäropfer nicht nachgewiesen sei.
Das Sozialgericht hat den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass die bei der Klägerin eingetretene Verschlimmerung einer vorbestehenden Neigung zur Verarbeitungsstörung mit leichter ängstlich-depressiver Symptomatik ursächlich durch ein schädigendes Ereignis hervorgerufen worden ist, sowie der Klägerin wegen der eingetretenen Schädigung Heilbehandlung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abwiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Mitteilung des in der Berufungsinstanz zuständigen Berichterstatters, er beabsichtige, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Einzelrichters anstelle des Senats. Dieser hat daraufhin das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Beweiserhebung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen. Zugleich hat er die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung der Zurückverweisung hat er ausgeführt, dass das erstinstanzliche Urteil auf wesentlichen Verfahrensfehlern beruhe, aufgrund derer eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig sei. Sowohl aus prozessökonomischen Gründen als auch zum Erhalt beider Tatsacheninstanzen sei die Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht geboten.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Köln 19.01.2023, S 30 VG 22/16
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 26.01.2024, L 13 VG 9/23
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Terminbericht
Die Revision war im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht erfolgreich.
Der Senat war an einer den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung bereits deshalb gehindert, weil das Verfahren vor dem Berufungsgericht an einem absoluten Revisionsgrund leidet. Bei seiner Entscheidung war das Berufungsgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter gemäß § 155 Absatz 3 und 4 SGG in der Regel ermessens- und damit verfahrensfehlerhaft, wenn er gleichzeitig die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt. Der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anerkannte Ausnahmefall, dass die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung gerade für den Fall der Zulassung der Revision erklärt haben, kann keine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass aus sachfremden Erwägungen auf eine Entscheidung des vollbesetzten Senats verzichtet wurde. So liegt der Fall hier, wie der Hinweis im Berufungsurteil zeigt, der Senat habe keinen regulären Vorsitzenden, vielmehr werde er im dreimonatlichen Wechsel von unterschiedlichen Senatsvorsitzenden “geschleppt“, sodass es keinen festen Spruchkörper gebe. Auch in dieser Zeit hat der 13. Senat des Landessozialgerichts indes Urteile als Kollegialorgan gefällt. Die mit der Einrichtung der Sozialgerichte als Kollegialgerichte bezweckte Gewährung von angemessenem Rechtsschutz, dem die Annahme zugrunde liegt, dass richterlichen Entscheidungen des Kollegiums aufgrund des notwendigerweise stattfindenden Diskurses eine höhere Richtigkeitsgewähr beizumessen ist, war somit auch in dieser Zeit gewährleistet.
Darüber hinaus war das Berufungsurteil aufgrund eines Verstoßes gegen § 159 Absatz 1 Nummer 2 SGG aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Denn mit zunehmender Dauer eines Verfahrens verdichtet sich die mit dem aus Artikel 19 Absatz 4 GG und Artikel 6 Absatz 1 Europäische Menschenrechtskonvention resultierenden Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um die Beschleunigung eines Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen. Da das vorliegende gerichtliche Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Berufungsgericht bereits über sieben Jahre andauerte, war die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur nicht geboten, sondern sogar ausgeschlossen.
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